Kolumne

Was willst du tun, bevor du stirbst?

Hallo ihr Lieben!

Ich gebe zu, die Headline ist provokant. Aber genau das ist der Zweck dahinter. Angefangen hat das alles in New Orleans Louisiana, USA, als die Künstlerin Candy Chang jemanden verlor. Jemanden, den sie sehr geliebt hatte. Sie hatte lange mit ihrer Trauer zu kämpfen. Wobei kämpfen hier das falsche Wort ist, finde ich. Akzeptieren und damit wieder glücklich leben können trifft es besser.

Also startete sie kurzerhand ein Experiment. An einem verlassenen Haus brachte sie mit Hilfe von Freunden eine große Tafelwand an und stempelte über die ganze Seite den Satz „Bevor ich sterbe, möchte ich……….“. Mit Kreide konnte jeder vorbeigehende Passant seine Version darauf schreiben. Am nächsten Tag war die Wand mit Antworten übersät. Candy fing aufgrund der großen Resonanz an, die Vorlage dafür auf ihrem Blog bereit zu stellen.

credit: beforeIdie.city

Und so eine „Before I die…“-Wall findet ihr aktuell noch bis Samstag in der Münchner Innenstadt (Kaufingerstraße)! Ich bin heute daran vorbei gelaufen und habe mir 10 min. genommen, um all die unterschiedlichen Antworten und Menschen zu beobachten. Dabei kam ich mit einem Initiator ins Gespräch. Ich fragte ihn, ob sie die Wände fotografieren, bevor sie sie wieder abwischen. Er bejahte das und erzählte mir dann ein bisschen etwas über die Menschen.

Before I die – Kunstinstallation in München

Die Wand ist zwecks der Verständlichkeit auf deutsch und auf englisch – so nehmen auch viele Touristen an der Aktion teil. Aber auch Flüchtlinge, die hier in München leben. Ich habe mehrfach den Wunsch „Frieden im nahen Osten“ gelesen – das sei eine Sache, die Flüchtlinge oft schreiben. Aber auch, so der Mitarbeiter, dass sie gerne in ihr Heimatland zurück kehren möchten. Eine Dame, schätzungsweise so um die 50, schrieb an die Tafel: „Bevor ich sterbe möchte ich nicht mehr einsam sein.“ Das hat mich sehr berührt. Auch Antworten wie „Bevor ich sterbe möchte ich meine Depression bekämpfen“ liest man dort. Aktiv angesprochen wird von den Initiatoren keiner – aber der Gedanke einen Seelsorger mitzunehmen ist da. Nur, wer möchte schon in der Innenstadt zwischen all den Leuten über seine tiefsten Probleme und Ängste reden?

Einen Denkanstoß setzt die Kunstinstallation aber sofort. Auch wer achtlos im Stress vorüber geht und die Tafel nur mit den Augen streift – der Samen ist gesät und ich bin mir sicher viele denken zumindest kurz darüber nach. Lässt man die Scherz-Antworten außer Acht, ist der Grundtenor der Wünsche positiv. „unsterblich lieben„, „das leben voll auskosten„, „andere glücklich machen„, „sie noch einmal im Arm halten„, „sie endlich küssen“ – LIEBE, danach sehnt sich unsere Gesellschaft. Und das ist doch ein sehr schönes Fazit, findet ihr nicht?

Vielleicht wollt ihr jetzt auch wissen, ob ich etwas an die Tafel geschrieben habe. Um ehrlich zu sein: nein. Aus einem ganz blöden Grund. Ich wusste nicht was.

Das hat mich sehr beschäftigt, den ganzen Tag über. Einen großen Lebenstraum hab ich mir ja vor Kurzem schon selbst erfüllt. Indem ich alleine nach Schottland gezogen bin und dort vier Monate herum reiste, Land und Leute kennenlernte. Natürlich hab ich noch weitere Träume, aber wenn ich jetzt nur noch zwei Monate zu leben hätte – was würde ich machen? Ganz schön schwierige Frage. Mir fallen so viele Sachen ein, aber kein Must-do. Heißt das, dass ich schon wunschlos glücklich bin? Oder dass ich mich zu wenig mit der Frage beschäftigt habe? Keine Prioritäten besitze?

 

Inspiriert mich!

Was würdet IHR machen?

 

P.S.: In Deutschland standen die Wände schon in den Städten Erfurt, Erlangen, Hamburg, Bremen, Berlin, Aalen, Bad Aibling und Fürth. Alle Wände auf der ganzen Welt könnt ihr euch HIER ansehen.

 

Hier schreibt Doro // mein Herz schlägt für meine Heimat Bayern, für Schottland, Reisen und Gewürzspekulatius!